Rodentizide – Toxische Zeitbomben für das Ökosystem

Spricht man von antikoagulanten Rodentiziden (AR) in der Schädlingsbekämpfung, fallen oftmals die Begriffe Primär- und Sekundärvergiftung im gleichen Satz. Denn von der Aufnahme der “Wirkstoffe” sind alle Lebewesen betroffen, egal ob Schädling, Wildtier oder Mensch.

Primärvergiftung vs. Sekundärvergiftung – Was ist was?

Kurzgesagt: Bei Primärvergiftungen handelt es sich um die direkte Aufnahme von Rodentiziden, meist in Form von Fraßködern. Diese Köder bestehen aus Blutgerinnungshemmern, sogenannten Cumarinderivaten, die die Schädlinge innerliche verbluten lassen. Die leblosen – oder geschwächten – Kleintiere sind für Wildtiere und Raubvögel leichte Beute. Über diesen Weg gelangt das Gift – angereichert mit PBT Stoffen – auch in den Kreislauf der Prädatoren. Die Sekundärvergiftung entspricht also einer indirekten, unbeabsichtigten Aufnahme des Giftes – mit weitreichenden Konsequenzen.

Ein intensiv erforschtes Gebiet

Stellt man sich vor, dass Cumarinderivate beim Menschen gegen schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden, dann lässt sich leicht erahnen, wie sich eine stark dosierte Menge an Blutgerinnungshemmern auf eine Maus auswirkt. Fürs Protokoll: Die innere Verblutungsdauer bei vergifteten Mäusen liegt zwischen 2 und 11 Tagen.  

Primär- und Sekundärvergiftung

Bei natürlichen Jägern wie zum Beispiel Schleiereulen oder Füchsen beeinflusst die Lebensdauer der Mäuse die Sekundärvergiftungen: Je länger eine vergiftete Maus nach Futter suchen kann, desto höher ist die Chance von einem Prädator gefressen zu werden, desto wahrscheinlicher stirbt auch er an den Rodentiziden. Bei Schleiereulen tritt der Tod 6 bis 17 Tage später ein.  

Die Bandbreite an Untersuchungen erstreckt sich von einzelnen Individuen bis hin zu ganzen Populationen. Laut Umweltbundesamt schwankt der prozentuale Anteil an Rodentizidrückständen in verschiedenen Wildtierpopulationen zwischen 10% und 97% – unter Artenschutz stehende Nicht-Zielorganismen inbegriffen. Deswegen verabschiedete das EU-Parlament 2013 die Risikominderungsmaßnahmen, die diesem Negativtrend gegenwirken sollen. Abgesehen von den tödlichen Effekten sind langfristige Auswirkungen auf das Verhalten und die Fortpflanzung der Tiere anzunehmen. 

Stadt, Land, Fluss

Als Teil eines komplexen Ökosystems, das die Fähigkeit besitzt, sich selbst zu regulieren und regenerieren, nimmt der Mensch immer mehr Platz ein. In Städten, in denen es wenig Raubtiere gibt, schlüpft der Mensch in die Rolle des Prädators. In freier Wildbahn mimen Raubtiere den ökologischen Schädlingsbekämpfer. 

Durch den unkontrollierten Eingriff des Menschen wird ein ganzen Ökosystem belastet, das negative Folgen für die biologische Vielfalt mit sich bringt. AR-Rückstände sind bereits in Gewässern nachgewiesen, die ins Grundwasser fließen und somit auch in die Nahrungskette des Menschen gelangen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Konzentration auch für den Menschen gefährlich wird. Denn wie heißt es so schön: “Die Menge macht das Gift”.

Sebastian Scherer

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